Dein Gehirn mag keine Veränderungen!
- Sandra Künzler
- 2. Mai
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Mai

...und wie du es trotzdem dazu bringst, neue Wege zu gehen.
Veränderung ist ein zentrales Thema in unserer Zeit. Unternehmen fusionieren, neue Technologien verändern Arbeitsprozesse, Menschen wechseln Jobs, gründen Start-ups oder stellen ihr Leben grundlegend um. Trotzdem erleben wir immer wieder, dass sich der Mensch schwer tut mit Wandel.
Aber warum ist das so?
Warum sträubt sich unser Gehirn gegen Veränderung?
Warum unser Gehirn keine Veränderung mag
Die Neurowissenschaft liefert klare Antworten, unser Gehirn ist auf Effizienz und Energiesparen programmiert. Es liebt Routinen, Vorhersagbarkeit und Muster. Wenn etwas neu oder ungewohnt ist, muss das Gehirn mehr arbeiten, es braucht mehr Energie und erhöht unsere kognitive Belastung.
🔋 1. Das Gehirn ist faul
Unser Gehirn macht etwa 2 % unseres Körpergewichts aus, verbraucht aber rund 20 % der Energie. Deshalb ist es darauf ausgerichtet Energie zu sparen, Automatismen und Gewohnheiten zu etablieren, um so wenig Energie wie möglich zu verschwenden. Jeder Reiz, der nicht in dieses System passt, wird als potenzielle Gefahr eingestuft.
☠️ 2. Das limbische System und die Bedrohungsreaktion
Veränderung wird unbewusst oft als Gefahr wahrgenommen. Das limbische System, zuständig für Emotionen und Reaktionen auf Bedrohungen, reagiert schnell mit Stress, Angst oder Ablehnung, wenn etwas Unbekanntes droht. Es ist dann viel leichter Gründe zu finden, warum das Bekannte besser ist, als neue Wege zu gehen. Selbst wenn alte Routinen oder Gewohnheiten schädlich sind.
3. Dopamin, Belohnung und Sicherheit
Stabilität und bekannte Abläufe sorgen für kleine, vorhersehbare Dopaminausschüttungen.
Neues kann zwar auch einen Dopaminschub auslösen (Neugier!), doch nur wenn es nicht mit Überforderung verbunden ist. Zu viel auf einmal erzeugt Stresshormone wie Cortisol und blockiert unsere Offenheit, Neues auszuprobieren.
Wie können wir trotzdem Veränderung ermöglichen?
Obwohl unser Gehirn konservativ ist, besitzt es die Fähigkeit zur Veränderung. Wir sprechen von Neuroplastizität, die Fähigkeit des Gehirns seine Struktur und Organisation kontinuierlich an veränderte Voraussetzungen und neue Anforderungen anzupassen. Das bedeutet, Veränderung ist biologisch möglich, aber sie braucht bestimmte Rahmenbedingungen.
💎 1. Sicherheit
Menschen müssen sich sicher fühlen, bevor sie sich verändern können. Im betrieblichen Kontext heisst das,
- Informationen transparent kommunizieren
- Ängste ernst nehmen
- Menschen von Anfang in Veränderungsprozesse miteinbeziehen
💎 2. Kleine Schritte statt grosser Sprünge
Das Gehirn gewöhnt sich leichter an inkrementelle Veränderungen. Statt alles auf einmal zu wollen, hilft es, Mikroveränderungen einzuführen. So bleiben Menschen handlungsfähig und erleben sich als selbstwirksam.
💎 3. Positive Emotionen erzeugen
Veränderung darf Spass machen. Mit humorvollen Elementen und Erfolgserlebnissen lässt sich der Dopaminausstoss gezielt aktivieren. Wer das Ziel positiv auflädt, motiviert das Gehirn.
💎 4. Reflexion statt Reaktion
Methoden wie Coaching, Achtsamkeit oder Journaling helfen, neuronale Reflexe zu entschleunigen und bewusste Entscheidungen zu treffen. Du bekommst zum Beispiel eine kritische E-Mail von einer Kollegin. Reflexartig möchtest du sofort zurückschreiben – emotional, impulsiv, vielleicht mit einem vorwurfsvollem Unterton. Doch dann atmest du kurz durch, liest die Mail noch einmal, reflektierst, was wirklich gesagt wurde – und reagierst sachlich und lösungsorientiert. Damit wird das limbische System (emotionales Gehirn) reguliert, und der präfrontale Cortex, der Teil des Gehirns, der rational denkt, hat mehr Raum.
Die Dilts Pyramide – Veränderung auf allen Ebenen ermöglichen
Die Dilts Pyramide, auch bekannt als logische Ebenen der Veränderung, wurde vom amerikanischen NLP-Trainer und Managementberater Robert Dilts entwickelt. Sie dient als Modell, um Veränderungsprozesse besser zu verstehen und zu gestalten – sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene.
Die logischen Ebenen nach Robert Dilts zeigen, dass nachhaltige Veränderung nicht nur auf der Verhaltensebene stattfinden kann. Die Pyramide umfasst sechs Ebenen:

Veränderungen, die nur auf den unteren Ebenen stattfinden (z. B. neue Prozesse, neue Aufgaben, neue Software), greifen oft zu kurz. Echte Transformation gelingt nur, wenn auch Werte, Identität und Vision eines Menschen berücksichtigt werden. Gerade in Change-Prozessen müssen Menschen ihr „Warum“ verstehen und sich mit einer neuen Identität verbinden können.
Warum die oberen Ebenen entscheidend für Veränderung sind
Oft versuchen wir, Veränderung auf den unteren Ebenen zu erreichen – neue Regeln, neue Tools, neue Aufgaben. Das funktioniert kurzfristig, scheitert aber häufig langfristig.
Echte, nachhaltige Veränderung passiert nur dann, wenn sie auch auf den oberen drei Ebenen (Werte/Überzeugungen, Identität und Vision) verankert wird. Wenn du nur das Verhalten oder die Umwelt änderst (z. B. neue Prozesse, neue Gewohnheiten oder neue Teams), aber Werte, Identität oder Sinn nicht ansprichst, wird die Veränderung nicht tief verankert – Menschen kehren irgendwann zu alten Mustern zurück.
Erst wenn Menschen ihr inneres Warum klären, ihre Werte leben und ihre Identität weiterentwickeln, gelingt echte, dauerhafte Veränderung, egal ob privat oder beruflich.
Werte/Überzeugungen/Glaubenssätze beeinflussen, wie wir die Welt sehen und welche Entscheidungen wir treffen. Menschen setzen vorhandene Fähigkeiten nur dann ein, wenn entsprechende Glaubenssätze und Kriterien vorhanden sind, die das auch erlauben. Glaubenssätze sind Interpretationen aus früheren Erfahrungen. Sie sind individuelle Theorien, warum etwas so und nicht anders ist.
Identität ist das Selbstbild, die Vorstellungen, die ein Mensch über sich, sein Verhalten, seine Fähigkeiten und Überzeugungen, meist unbewusst, konstruiert hat.
Identität gibt Stabilität: Wenn ich mich zum Beispiel über mich denke: „Ich bin eine agile Führungskraft“, handle ich automatisch anders.
Vision/Sinn schafft Motivation und Richtung: Menschen verändern sich leichter, wenn sie einen höheren Sinn in ihrem Tun sehen. Was ist mein Warum?
Kurz gesagt:Wenn sich das Denken, Fühlen und Selbstverständnis eines Menschen verändert, verändert sich auch sein Verhalten nachhaltig.
Gerade bei Change-Prozessen in Unternehmen prallen nicht nur Prozesse und Systeme aufeinander, sondern auch Kulturen, Identitäten und individuelle Prägungen. Das macht den Change-Prozess besonders komplex, und erzeugt erstmal Stress und Ablehnung.
Was es braucht, damit Change gelingt:
Psychologische Sicherheit: Mitarbeitende müssen sich sicher fühlen, ihre Gedanken und Bedenken offen teilen zu können.
Klare Vision und Sinnstiftung: Menschen folgen Veränderung eher, wenn sie verstehen, wofür sie sich lohnt (höhere Ebenen der Dilts-Pyramide: Vision, Identität, Werte).
Transparente Kommunikation: Frühzeitig, offen und regelmässig über Ziele, Schritte und Herausforderungen informieren. Klarheit fördert Vertrauen.
Einbindung der Betroffenen: Beteiligung fördert Ownership und verringert Widerstand.
Führungskräfte als Vorbilder: Leader müssen die Veränderung selbst verkörpern und leben.
Kleine Erfolge sichtbar machen: Positive Zwischenschritte feiern, das fördert die Motivation und ist ein Zeichen von Wertschätzung.
Geduld und Konsequenz und stetige Anpassungen: Veränderung ist ein Prozess, keine Aktion – Konsistenz und Durchhaltevermögen sind entscheidend.
Veränderung beginnt im Kopf
Wer Change will, muss Menschen verstehen. Das beginnt mit dem Verständnis für unser Gehirn und seine Mechanismen. Change Management ist kein Excel-Projekt, sondern ein emotionaler Prozess. Wenn wir die neurobiologischen Grundlagen berücksichtigen, können wir nachhaltige Veränderung gestalten.
Deshalb braucht es Leader, die sich selbst führen können, und verstehen, dass hinter manchen Widerständen von Menschen Glaubenssätze und Überzeugungen stehen, die es erstmal zu verändern gilt, damit eine echte Transformation erreicht werden kann.
Vielleicht kennst du jemanden, der gerade in einem Veränderungsprozess ist, und mein Blogartikel helfen könnte?
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