Bewusstes Handeln und Führen
- Sandra Künzler
- vor 1 Tag
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 7 Minuten
Eine Definition für Führung, die ich gefunden habe, lautet: "
Führung ist eine Vision zu formulieren, die uns und andere zu Lösungen inspiriert, von denen alle profitieren."
Bewusstes Handeln, sich zu kennen und weniger reaktiv zu sein, sind grundlegende Säulen erfolgreicher Führung.

Deshalb ist zielgerichtetes Handeln, insbesondere in disruptiven Zeiten, eine der grundlegenden Fähigkeiten, bei deren Entwicklung ich meine Coachees unterstütze.
Egal, was uns das Leben vorsetzt, wir haben die Möglichkeit zu entscheiden, wie wir darauf reagieren. Diese Entscheidung, die wir bewusst und absichtlich treffen, kann einen grossen Unterschied machen.
Absichtsvolles Handeln beginnt damit, dass wir uns zwei konkrete Fragen stellen:
1. Wie möchte ich sein?
(Dies hilft uns, den gewünschten inneren Zustand oder das gewünschte Gefühl zu erkennen.)
2. Was will ich?
(Dies hilft uns zu formulieren, was wir im Aussen schaffen, erreichen oder erleben wollen).
Wenn wir diese beiden Fragen klar beantworten können, sind wir eher in der Lage, unser Verhalten so zu steuern, dass es uns bei der Verwirklichung unserer Ziele unterstützt. Dies ist wichtig, weil sich Menschen besonders gut auf das konzentrieren können, was sie nicht wollen. Man könnte sogar sagen, dass dies eine der grundlegenden Qualitäten des Menschseins ist.
Im seinem Buch Sapiens weist Yuval Noah Harari auf einen Schlüsselmoment in der menschlichen Evolution hin, den Moment, in dem wir zum Homo Sapiens wurden. Es war nicht der Moment, als wir aufrecht standen oder Werkzeuge herstellten. Der entscheidende Unterschied ist die einzigartige Fähigkeit zur Fiktion, also zur Schaffung und zum Glauben an gemeinsame Vorstellungen, Mythen, Religionen, Gesetze, Nationen oder Geld. Es geht um die Fähigkeit, Geschichten erzählen zu können. Vor allem Geschichten darüber, was alles schief gehen könnte.
Er malt das Bild von zwei Frühmenschen, die durch hohes Gras gehen. Einer sagt:
„Da ist ein Löwe!“ – obwohl gar keiner zu sehen ist. Diese Fähigkeit, imaginäre Szenarien zu beschreiben, ist laut Harari zentral für unsere Entwicklung. Denn auch wenn kein Löwe da war, könnte einer dort sein, und es erhöht die Überlebenschancen, wenn man sich gemeinsam in Acht nimmt.
Diese Fähigkeit, sich potenzielle Bedrohungen vorzustellen, selbst wenn sie fiktiv sind, hat uns einen enormen evolutionären Vorteil verschafft. Sie hat uns geholfen, uns in grosse Gruppen zusammenzutun, Gefahren zu antizipieren und zu vermeiden, bevor sie eintreten.
Diese Fähigkeit hat allerdings auch einen Haken, denn dasselbe Gedankenmuster, dass uns geholfen hat dem Säbelzahntiger aus dem Weg zu gehen, sagt uns jetzt, dass wir in Gefahr sind, wenn wir uns über eine E-Mail ärgern, und uns verhalten als es ob um Leben und Tod gehen würde. Oder uns bereits scheitern sehen, bevor wir überhaupt mit etwas angefangen haben. Die Bedrohungen haben sich grundlegend verändert, aber das Betriebssystem unseres Gehirns nicht.
Obwohl es wichtig ist, Risiken abzuwägen, neigen Führungskräfte dazu, sich zu sehr auf diese reaktive, bedrohungserkennende Denkweise zu konzentrieren. Dieses Verhalten ist ziemlich ineffizient und nicht nachhaltig, und Spass macht es sowieso keinen.
Typische Muster, die zu diesem Verhalten und dieser Denkweise führen sind:
Stress (Angst, dass wir unser Ziel nicht erreichen)
Mangel (Angst, dass wir nicht haben, was wir brauchen)
Scham (Glaube, dass wir nicht genug sind)
Recht haben müssen
Sich diesen Mustern bewusst zu sein, hilft unter Stress weniger reaktiv zu sein. Wer sich morgens überlegt wie er in den Tag starten und welche Qualitäten er in den Tag bringen möchte, dem fällt es leichter bewusster zu handeln und neue Perspektiven zu entwickeln.
Wer bewusster führt,
hat den Wunsch, zu lernen und zu wachsen.
möchte einen sinnhaften Beitrag leisten.
strahlt Freude und Verbundenheit aus.
hat und gibt klare Ziele vor.
baut gezielt eine Vertrauenskultur auf.
Deshalb ist es hilfreich sich diese beiden Fragen regelmässig zu stellen.
Wie möchte ich sein?
Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf unsere Absicht richten, ist es wahrscheinlicher, dass wir die Erfahrung machen, die wir uns wünschen."
Bestsellerautor Alex Banayan ist ein sehr gefragter Keynote-Speaker. Er hält mehr als 50 Vorträge im Jahr und bereitet sich vor jedem einzelnen wie folgt vor.
Wenn er sich auf seinen Vortrag vorbereitet, schliesst er die Augen und fragt sich:
"Wie möchte ich heute sein?"
Diese Frage ermöglicht es ihm, sich in den Zustand zu versetzen, der ihm maximale Präsenz und Freude an der anstehenden Aufgabe verleiht. Es ist zwar hilfreich, sich darüber im Klaren zu sein, was er tun will und welches Ergebnis er zu erreichen hofft, aber die Reaktion des Publikums liegt letztlich nicht in seiner Hand. Wie er jedoch auftritt, liegt ganz in seiner Hand.
Diese einfache Veränderung macht einen gewaltigen Unterschied. Sie verlagert den Ursprung unserer Motivation von äusserer Bestätigung auf innere Inspiration. Wenn wir andere inspirieren wollen, ist es hilfreich, zuerst bei uns selbst anzufangen. Gute Führung beginnt mit Selbstführung.
Die Antwort könnte lauten: "Heute möchte ich begeistert und euphorisch auftreten!"
Dann holt er tief Luft, und es geht los. Es dauert nur 30 Sekunden, und schon ist er in der Lage, die Energie zu erzeugen, die seinem eigenen Vergnügen und der Wirkung, die er auf das Publikum haben möchte, dient.
"Where focus goes, energy flows"
Die Neurobiologie zeigt, dass die Fokussierung der Aufmerksamkeit mit spezifischen neuronalen Aktivitäten verbunden ist, was impliziert, dass Energie (in Form von neuronaler Aktivität) dorthin fliesst, wo die Aufmerksamkeit hingeht.
Ein Teil unseres Gehirns filtert die Millionen von Informationen, die jede Sekunde auf uns einprasseln, und entscheidet, was wir tatsächlich wahrnehmen.
Es richtet seine Aufmerksamkeit auf das, was wir ihm bewusst oder unbewusst als wichtig vorgeben. Wenn wir uns also auf Bedrohungen konzentrieren, sucht das Gehirn nach Dingen, die mit diesem Fokus übereinstimmen. Wir programmieren unser Gehirn buchstäblich darauf, anders zu sehen. Wenn wir uns unbewusst auf die Erkennung von Bedrohungen konzentrieren, schicken wir eine Menge Energie in Richtung dessen, was wir eigentlich nicht wollen.
Bereiche, in denen dies bei Führungskräften am häufigsten vorkommt, sind die Führung von Menschen und Gespräche, bei denen viel auf dem Spiel steht.
Wir fokussieren uns oft auf mögliche Bedrohungen wie:
🆘 Ablehnung (keine Verbindung)
🆘 Ergebnisse (ein Ziel nicht erreichen)
🆘 Wahrnehmung (was denken andere über uns)
Wenn wir uns auf diese externen Einflüsse konzentrieren, die wir nicht kontrollieren können, erzeugen wir Stress und negative Energie. Dies zeigt sich als:
🚫 Anspannung und innere Unruhe (im Körper)
🚫 Angst (im Geist)
🚫 Widerstand
Dann reagieren wir, um das negative Ergebnis zu vermeiden, anstatt uns auf das zu konzentrieren, was wir kontrollieren, und was wir kreieren wollen. Diese Denkweise führt dazu, dass wir aus der Angst heraus agieren und macht es uns fast unmöglich authentisch zu sein. Wenn wir uns einreden, dass wir anders sein müssen als wir sind, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen, erzeugen wir einen inneren Widerstand.
Es ist zwar wichtig, die Signale und Botschaften, die wir von der Aussenwelt erhalten, wahrzunehmen, aber die eigentliche Kraft liegt darin einfach aus Spass an der Freude zu agieren und darauf zu vertrauen, dass es nicht nur ausreicht, authentisch zu sein, sondern dass dies der Schlüssel ist, um gute Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, Respekt und Autorität zu gewinnen.
Wenn wir uns fragen, wie wir sein wollen, lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf das, was wir kontrollieren (uns selbst), und nicht auf das, was wir nicht kontrollieren (die Reaktionen anderer). Ebenso wird es uns besser gelingen, unser Verhalten, selbst unter Druck, besser zu steuern.
Praxistransfer
Wie will ich sein?
Um die erste Frage zu beantworten, denke an das nächste wichtige Gespräch, das dir bevorsteht. Ist es ein wöchentliches Mitarbeitergespräch, ein Kundengespräch oder ein Investorengespräch?
Welche drei Qualitäten möchtest du in diesem Gespräch zeigen?
Hier sind ein paar Beispiele:
Geerdet
Authentisch
Neugierig
Zuversichtlich
Verbunden
Empathisch
Inspiriert
Es kann auch sinnvoll sein, dies mit Teamkollegen vor wichtigen Meetings zu tun.
Wenn du dir darüber im Klaren bist, wie du dich fühlen möchtest, frage dich, was du tun kannst, um diese Gefühle jetzt auszudrücken.
Was will ich?
Diese Frage hilft uns, die Klarheit zu erlangen, die wir brauchen, um uns selbst und andere zum Handeln zu inspirieren und Lösungen zu schaffen, von denen alle profitieren.
Was will ich?
🎯 Formuliere deinen Wunsch so spezifisch wie möglich, in klarer, positiver, wohlwollender Sprache.
Beispiel: „Ich möchte erreichen, dass mein Team mehr Eigenverantwortung übernimmt und Aufgaben proaktiv erledigt, ohne, dass ich alles kontrollieren muss.“
👀 Woran erkennst du, dass du es erreicht hast?
>Beschreibe die konkreten Zeichen, an denen du erkennst, dass das Ergebnis erreicht wurde.
Beispiel: „Teammitglieder melden sich eigenständig mit Lösungsvorschlägen, treffen Entscheidungen im Rahmen ihrer Verantwortung und halten Deadlines zuverlässig ein.“
🕒 In welchem Kontext möchtest du das?
>Wo, wann und mit wem will ich das?
Beispiel: „In unserem wöchentlichen Teammeeting, bei Projektarbeit und bei der
täglichen Kommunikation im Büro und im Homeoffice.“
🚨 Warum ist das wichtig für mich?
>Stelle eine Verbindung zu dem übergeordneten Zweck hinter dem Ergebnis her.
Was wird dadurch möglich?
Beispiel: „Ich werde mit mehr Selbstvertrauen führen, weniger ängstlich sein und eine
vertrauensvollere, Atmosphäre aufbauen können.“
♨️ Welche Ressourcen stehen mir bereits zur Verfügung?
>Stärken, Fähigkeiten, Erfahrungen, Netzwerk
Beispiel: „Ich habe Erfahrung mit Coaching-Tools, kann klare Rollen definieren und
Vertrauen im Team aufbauen. Ausserdem habe ich Unterstützung durch HR, um
Schulungen anzubieten.“
🧱 Was hindert dich derzeit noch daran dein Ziel zu erreichen?
>Mögliche interne oder externe Hindernisse identifizieren und planen, wie du sie überwinden wirst.
Beispiel: „Ich merke, dass ich selbst oft zu schnell eingreife, anstatt Verantwortung abzugeben. Ausserdem scheinen manche Mitarbeitende unsicher zu sein, was sie entscheiden dürfen.“
Gibt es Spannungen zwischen dem Ziel und einem deiner Werte?
Wenn ein Ziel mit den eigenen Werten übereinstimmt (z. B. Verantwortung, Wachstum, Wertschätzung), entsteht echte intrinsische Motivation. Das erhöht die Verbindlichkeit, Klarheit und Ausdauer beim Verfolgen des Ziels.
Beispiel: "Ein Teil von mir hat Angst, dass ich die Kontrolle verliere und das dies das Resultat beeinflussen könnte.
Was könnest du tun, damit das Ziel im Einklang mit deinen Werten steht?
Beispiel: "Ich werde mich daran erinnern, dass ich meinem Team vertrauen kann."
🚶♂️ 6. Was sind erste konkrete Schritte?
Beispiel:
„Ich reflektiere in den nächsten Meetings bewusst meine Rolle: Zuhören statt eingreifen.“
„Ich kläre die Entscheidungsräume für alle im Team.“
„Ich führe Einzelgespräche, um das Thema Eigenverantwortung gemeinsam zu reflektieren.“
Angenommen du erreichst dein Ziel, was wird sich dadurch für dich verändern?
Beispiel: „Ich hätte mehr Kapazität für strategische Aufgaben, weniger operative Belastung und mein Team würde motivierter und zufriedener arbeiten – mit mehr Klarheit und Selbstbewusstsein.“
Auch wenn es den Anschein hat, dass diese Übung länger als 60 Sekunden dauert, weiss ich aus Erfahrung, dass du bei jeder Wiederholung schneller wirst. Wer bewusster durch den Alltag geht, macht einen ersten Schritt in Richtung gute Selbstführung, was dir hilft die Ergebnisse zu schaffen, die du dir wünschst.